Die Schließung einer Gaststätte wegen fehlender Deutschkenntnisse eines Gastwirtes ist unzulässig

Urteil zum Hygienerecht / LebensmittelrechtZu Unrecht angeordnete Schließung einer Gaststätte wegen unzureichender Deutschkenntnisse.
Verwaltungsgericht Neustadt, - 4 L 403/16.NW –Die Annahme von Unzuverlässigkeit wird nicht durch mangelnde Deutschkenntnisse zugelassen.
Das Veraltungsgericht Neustadt a.d. Weinstraße entschied, dass die Schließung einer Gaststätte, welche in Besitz einer vietnamesischen Staatsangehörigen ist, unrechtmäßig verordnet wurde.

Die aus Vietnam stammende Antragstellerin betreibt in der Innenstadt von Bad Dürkheim ein asiatisches Schnellrestaurant und verfügt über eine Aufenthaltserlaubnis, welche ihr gestattet, einer selbständigen Tätigkeit nachzugehen.
Die Stadt Bad Dürkheim erteilte im Mai 2015 und im Januar 2016 eine vorläufige Betriebserlaubnis der Gaststätte.
Die Anmeldungsbescheinigung an der Volksschule für Sprachkurse liegt durch die Antragstellerin vor.

Stadt Bad Dürkheim als Antragsgegnerin bat die Antragstellerin zuletzt um die Verbesserung ihrer deutschen Sprachkenntnisse.
Die Antragstellerin legte in der folgenden Zeit eine Bescheinigung der Volkshochschule Bad Dürkheim vor, aus der zu entnehmen ist, dass sie für die Sprachkurse „Deutsch als Fremdsprache für Anfänger“ und „Deutsch I“ angemeldet war.
Aufgrund unzureichender Deutschkenntnisse wurde der Antragstellerin mangelnde Unzuverlässigkeit unterstellt.

Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 10.05.2016 die Erteilung einer unbefristeten Gaststättenerlaubnis ab. Zudem verfügte sie die Gaststättenschließung mit Ablauf des 31.05.2016 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung.
Die Begründung dafür lautete, die Antragstellerin könne ohne Hinzuziehung von Freunden nicht kommunizieren, da sie der deutschen Sprache nicht mächtig sei. Allerdings fehle es ohne Deutschkenntnisse schon an sogenannten Grundbausteinen zum Betreiben eines Gewerbes. Wegen mangelnder deutscher Sprachkenntnisse sei die Antragstellerin nicht im Stande, ihr Gewerbe zu betreiben und sei deshalb für den Gewerbebetrieb unzuverlässig.
Der Schutz der Allgemeinheit aufgrund ungenügender Deutschkenntnisse ist unplausibel.

Die Antragstellerin legte hiergegen Widerspruch ein und hat am 27.05.2016 gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht mit der Begründung, die Stadt nehme zu Unrecht an, dass die Antragstellerin nicht in der Lage sei, die erforderliche gaststättenrechtliche Zuverlässigkeit zu gewährleisten. Es habe bisher noch keinerlei Beanstandungen aus Behördensicht gegeben, ebenso wenig aus Sicht der Kunden. Es sei nicht plausibel, dass man die Allgemeinheit vor den unzureichenden Sprachkenntnissen der Antragstellerin schützen muss. Sie bediene sich in ihrem Betrieb der Hilfe ihrer Arbeitskräfte, da die Bedienungen gut Deutsch sprechen und ohne Probleme die Bestellungen der Kunden aufnehmen können.

Entscheidung des Verwaltungsgerichts:
Die Schließung des Betriebs ist ermessensfehlerhaft ergangen.
Die Stattgabe des Eilantrags durch das Gericht begründeten die Richter wie folgt: Die Anordnung, dass der Betrieb geschlossen werden soll, sei ermessensfehlerhaft ergangen. Das Gericht teile die Auffassung der Antragsgegnerin nicht, dass die mangelnden Deutschkenntnisse der Antragstellerin eine gaststättenrechtliche Unzuverlässigkeit zur Folge hätten und somit die angeordnete Schließung der Gaststätte notwendig sei.
Es gibt keine Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse im Gaststättenrecht und allgemeinen Gewerberecht.

Genauso wie das allgemeine Gewerberecht stelle das Gaststättenrecht prinzipiell keine Anforderungen an deutsche Sprachkenntnisse. Durch den § 1 der Gewerbeordnung ist es Ausländern aus Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union ebenso wie deutschen Staatsangehörigen sowie anderen EU-Bürgern erlaubt, ein Gewerbe in Deutschland zu betreiben. Ob es dafür eine ausländerrechtliche Erlaubnis bedürfe, werde je nach Art der unternehmerischen Aktivität in Deutschland bestimmt. Da die Antragstellerin im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit ist, müsse sie daher grundsätzlich nur den selbständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes der dafür zuständigen Behörde anzeigen. Die Gewerbeordnung sieht jedoch für bestimmte gewerbliche Tätigkeiten eine Erlaubnispflicht vor. Gewerbetreibende, die im Bewachungsgewerbe tätig sein wollten, müssten so über die für die Gewerbeausübung notwendigen rechtlichen Vorschriften belehrt worden sein. Da diese Unterrichtung mündlich erfolgt, müsse die zu unterrichtende Person über deutsche Sprachkenntnisse verfügen, um der Tätigkeit nachgehen und das Unterrichtsverfahren verstehen zu können.
Für die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis werden demgegenüber vom Gaststättengesetz in keiner Vorschrift ausdrücklich Kenntnisse der deutschen Sprache als unentbehrliche  Voraussetzung verlangt.
Trotzdem müsse der Gewerbetreibende über die Grundzüge der für den Betrieb wichtigen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse belehrt worden sein, bevor er den Gaststättenbetrieb aufnimmt.

Ebenso muss auch hier eine mündliche Unterrichtung erfolgen, bei der die Zuziehung eines Dolmetschers zulässig sei. So kann zum Beispiel, die zum Betrieb einer Gaststätte erforderliche Gaststättenunterrichtung bei der Industrie- und Handelskammer auch in einer Fremdsprache mit einem Dolmetscher vermittelt werden. Die genannten Punkte verdeutlichen, dass mangelnde deutsche Sprachkenntnisse nicht genügen, um die Ausstellung einer Gaststättenerlaubnis zu versagen. Die Industrie- und Handelskammer Pfalz habe der Antragstellerin vorweislich bescheinigt, dass sie eine Unterrichtung über die Grundzüge der für den Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft erforderlichen lebensmittelrechtlichen Kenntnisse genossen habe und so mit ihnen als vertraut gelten könne.

Es seien weder Steuerrückstände noch Lebensmittelverstöße aktenkundig.

Es sei zudem unbegründet, dass die Antragstellerin wegen ihrer nicht ausreichenden Deutschkenntnisse nicht im Stande sei, ihr Geschäft selbst auf eigene Rechnung verantwortungsbewusst zu betreiben.
Die Unzuverlässigkeit lasse sich somit nicht rechtfertigen. Aktenkundig seien keinerlei lebensmittelrechtliche Verstöße oder Steuerrückstände. Zudem sei es der Antragstellerin als selbstständige Gewerbetreibende erlaubt, sich der Hilfe Dritter zu bedienen.
Darunter zählen z.B. Tätigkeiten wie Kochen, Einkaufen oder die Bestellungsaufnahme in der Gaststätte. Der Hinweis der Antragsgegnerin, dass bei Bestellungen von Speisen im Lokal Verständigungsprobleme mit Kunden möglich seien, begründe ebenfalls nicht die Annahme einer Unzuverlässigkeit. Unwidersprochen habe die Antragstellerin dazu vorgetragen, dass die Bedienungen die deutsche Sprache gut beherrschten und ohne Probleme die Bestellungen der Gäste aufnehmen könnten.
So kann zum Beispiel auch durch die Gaststättenbehörde im Zuge der Erteilung der Gaststättenerlaubnis der Gastwirtin die Auflage erteilt werden, während der Öffnungszeiten der Gaststätte sicherzustellen, dass immer deutschsprechendes Personal vor Ort ist. Dennoch sei es gewerberechtlich unverhältnismäßig, von der Antragstellerin zu erwarten, als Gaststättenverantwortliche selbst über ausreichende Deutschkenntnisse zu verfügen, um eine erlaubnispflichtige Gaststätte betreiben zu dürfen.

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